Wildnis und Alpen Resort – von Olivone nach Hospental, 4. – 6. August 2017

Noch den geselligen gestrigen Abend in Dongio in Erinnerung, geht es heute nicht so rasch los. Zuerst steht noch der Besuch in der Aussenstelle des Kantonalen Laboratoriums auf dem Programm. Gina La Mantia stellt uns diese Einrichtung vor, mit der in Olivone einige qualifizierte Arbeitsstellen geschaffen worden sind. Die Laboreinrichtungen stehen auch den Schulen zur Verfügung, welche hier ihre Experimente durchführen. Kinder einer Tessiner Ferienkolonie haben sich auf unseren Besuch vorbereitet und stellen uns Fragen auf Deutsch: Wie weit wandert ihr? Wieviel Gepäch tragt ihr mit? Wie wascht ihr eure Kleider? Was esst ihr? Was kostet es? Zum Schluss gibt es ein Gruppenfoto mit allen und whatsalp-Transparent.
Dominik führt in der Osteria Centrale noch ein Gespräch mit den WirtInnen Tiziano Canonica und Annemarie Emch. Die Osteria Centrale gehörte zu den Pionieren der alternativen Hotellerie in der Schweiz, wie diese seit den 1970er-Jahren entstand und sich später im Füllhorn-Netzwerk organisierte. Viele Betriebe sind wieder verschwunden, doch die Osteria Centrale überstand bis heute alle auf und abs. In Olivone spielt sie eine wichtige Rolle als Treffpunkt nicht nur für TouristInnen, sondern auch für Einheimische. Die Pensionierung vor Augen, hat das engagierte Wirtepaar auf den Parc Adula gehofft, denn die Philosophie der Osteria hätte gut zur Nationalparkidee gepasst. Nach dem Scheitern des Parks ist es nun schwieriger geworden, eine gute Nachfolge zu finden. Nun planen Annemarie und Tiziano aus dem Hotel eine Pension zu machen, in der die Küche nur noch den Übernachtungsgästen zur Verfügung steht, was weniger Arbeit verursacht.
Unsere Wanderung führt über die Alpe Dötra nach Acquacalda, wo sich das Pro Natura-Zentrum Lucomagno befindet. Nach der Einkehr auf der schön gelegenen Alpe mit ihren rustikalen Häusern trifft die Gruppe im Centro ein. Dominik nimmt die etwas kürzere Route über die historische Lukmanierstrasse, welche über weite Strecken noch gut erhalten ist. Auf etwa halbem Weg befindet sich in Campra eine der grössten Moorlandschaften des Tessins – und ein nationales Leistungszentrum mit Dutzenden von Loipenkilometern für den Langlaufsport. Der Konflikt zwischen Naturschutz und Wintersport ist vorprogrammiert und seit Jahren gibt es Diskussionen zwischen Behörden, Privaten und Naturschützern. Als jüngstes Projekt ist ein Hotel geplant, welches zu wesentlichen Teilen durch die öffentliche Hand finanziert werden soll. Fachleute bezweifeln, dass ein solches Haus jemals schwarze Zahlen schreiben wird, mal ganz abgesehen von den Konflikten mit dem Naturschutz. Nach der Ankunft in Acquacalda reicht es gerade noch für das für whatsalp vorbereitete mehrgängige Abendessen, bevor wir in die Diskussion über den verhinderten Parc Adula einsteigen.
Der folgende Wandertag bringt uns zunächst zum Lukmanierpass, wo wir den Kaffee zusammen mit Töfffahrern und Ausflüglern im Passrestaurant konsumieren. Dann wird der Weg steiler und passt mehr und mehr zum Tagesthema Wildnis, das wir heute Abend in der Hütte diskutieren werden. Sebastian Moos von Mountain Wilderness Schweiz ist bereits seit gestern dabei. Der zeitweise recht steile und felsige Aufstieg führt uns durch aufgegebene Alpweiden und an einigen schönen Wasserbecken vorbei, die zum Baden einladen. Mit Martin Vetterli vom Beobachter, der für ein paar Tage mitwandert, diskutieren wir derweil, ob das nun schon Wildnis sei oder nicht. Weiter oben kommen wir an einer Fassung vorbei vorbei, wo das Bachwasser für die Energieproduktion gefasst wird – womit unsere Frage für heute beantwortet ist. Auch mit dem Hochbetrieb in der Cadlimohütte spricht wenig für die Wildnis hier oben auf 2600 m ü.M. Während wir beim Abendessen sitzen, trifft Katharina Conradin in der Hütte ein, auf dem Rücken hat sie ihren zehnmonatigen Sohn Jaro hochgetragen – und dazu noch das Gepäck.
Am folgenden Morgen geht es von der Cadlimohütte zuerst steil hinunter und nachher noch steiler hinauf auf den windigen Passo Bornengo. Zum ersten Mal seit unserem Start Anfang Juni wandern wir im dichten Nebel, doch dank der in regelmässigen Abständen aufgemalten weiss-rot-weissen Markierungen ist der Weg nicht zu verfehlen. Später werden wir dann doch noch von kalten Regenschauern eingedeckt. Nicht viel von all dem kriegt der kleine Jaro mit, er schläft friedlich im Tragrucksack auf dem Rücken seiner Mutter. So erreichen wir schliesslich, nach einem Kaffeehalt in der Maighelshütte, den Oberalppass mit seinem eigenartig anmutenden Leuchtturm. Dieser soll wohl darauf hinweisen, dass gleich oberhald der Rhein entspringt und sein Wasser einige Wochen später in die Nordsee mündet.
Auf dem Pass setzen wir uns ins Gasthaus gleich neben der Talstation des neuen Sesselliftes. Katharina informiert uns über den Skigebietszusammenschluss zwischen Andermatt und Sedrun. Dieser steht in Zusammenhang mit dem Neubau des Tourismusresorts in Andermatt und ist derzeit das grösste Skigebietsprojekt in der Schweiz.
Nachher verabschieden wir uns von den heimreisenden Mitwandernden und brechen zum letzten Teilstück auf, das uns hinunter nach Andermatt und dann nach Hospental führt. Im nebligen Wetter wirkt die Andermatter Baustelle mit den grossen Appartementhäusern des Resorts noch unwirklicher. Am gegenüberliegenden Ufer der Reuss stehen mehrere Dutzend neue Schneekanonen bereit, wohl für die im Bau befindliche Talabfahrt am Nätschen. In der Nähe der Baustelle fällt uns ein grosses Lager mit schwarzen Pflastersteinen aus Ägypten auf, angeschrieben mit „Marmonil, Nero Asvan Pavers“. Dann geht es an der ersten Golfvilla vorbei durch den neuen, von Bauernhäusern durchsetzten Golfplatz nach Hospental. Unsere ursprüngliche Absicht, in Andermatt eine Veranstaltung mit VertreterInnen von Gemeinde und Tourismus zu machen, haben wir fallengelassen. Eine Vertreterin von Andermatt Tourismus hatte uns gefragt, ob wir denn garantieren könnten, dass keine Kritik an Herrn Sawiris geübt werde…
Bei der Ankunft in der sympathischen Sust Lodge in Hospental erwarten uns Annette und Margot, die Partnerinnen von Dominik und Harry. Annette rollt für uns eine Art Gebetsmühle aus, die sie aus Stoff genäht hat und auf der alle whatsalp-Übernachtungsorte verzeichnet sind.