Energiewende gegen Landschaftsschutz? Treffen mit dem Grimselverein am 10. August 2017 im Berghaus Oberaar

Wie abgemacht trifft die Delegation des Grimselvereins um neun Uhr im Berghaus Oberaar ein. Mit dabei sind Katharina von Steiger, Dres Schild, Peter Anderegg, Nick Röllin, Henriette Schiltknecht und John Schmocker und die whatsalp-Gruppe. Es ist ein freudiges Wiedersehen mit alten Bekannten, einige von uns haben sich seit 1992 nicht mehr getroffen. Katharina von Steiger begrüsst alle herzlich und erwähnt, dass der Grimselverein diesen Herbst dreissig Jahre alt wird. Der Besuch einer TransALPedes-Delegetation vor genau 25 Jahren auf dem Sidelhorn, bei der auch Dominik dabei war, sei allen noch in denkwürdiger Erinnerung. Katharina erinnert daran, dass damals das Grossprojekt Grimsel West aktuell war, das zum Glück heute vom Tisch sei. Unterdessen habe das Bundesgericht den Moorschutz am „Sunnig Aar“ allerdings aufgehoben und es sei unklar, wie es weitergeht. Gegenwärtig werde geprüft, ob das Bundesinventar BLN den Schutz vor Überflutung gewährt oder nicht. Katharina berichtet, dass im Grimselverein vor einem Jahr über die Auflösung gesprochen worden sei, doch mit der Energiestrategie 2050 des Bundes ergebe sich nun eine neue Ausgangslage. So sei das Projekt eines neuen Stausees in der Gletscherlandschaft der Trift im Gadmental wieder aktuell. Eindringlich weist sie auf die Gefahr hin, dass mit solchen neuen Projekten Energiewende und Landschaftsschutz gegeneinander ausgespielt werden.
Als TransALPedes 1992 im Oberhasli Station machte, war das Grossprojekt Grimsel West aktuell. Zusammen mit weiteren Umweltschutzorganisationen wehrte sich der Grimselverein gegen ein Projekt, dessen Kernstück eine neue, 214 Meter hohe Staumauer im bestehenden Grimselsee war. Im TransALPedes-Buch „Alpengühn“ schrieben wir damals, dass das neue Pumpspeicherwerk weitgehend der Veredelung von AKW-Strom dienen sollte: „Gepumpt würde vorwiegend mit importiertem französischen Atomstrom.“ Diesem Projekt wären unter anderem die Moorlandschaft Sunnig Aar und das Gletschervorfeld unterhalb des Lauteraargletschers zum Opfer gefallen. Viele Seitentäler des Oberhasli wären durch neue Wasserfassungen massiv beeinträchtigt worden. Nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen schubladisierten die Kraftwerke Oberhasli das Projekt und lancierten das Projekt KWO plus. Geplant war nun eine geringere Erhöhung der Grimsel-Staumauer um noch 27 Meter. Dies hätte aber immer noch massive Auswirkungen auf die Grimsellandschaft gehabt, weshalb sich der Grimselverein dagegen aussprach. Aus Kostengründen wurde jedoch auch dieses Projekt nie in Angriff genommen.
Parallel zu diesen Vorhaben realisierten die Kraftwerke Oberhasli eine Reihe von Verbesserungen an den bestehenden Anlagen und erhöhten die Stromproduktion um 30 GWh pro Jahr. Ein ursprünglich ebenfalls geplantes Pumpspeicherwerk mit rund 600 Megawatt Leistung zwischen Räterichsbodensee und Grimselsee wurde bisher aus Kostengründen nicht gebaut. Als neues Projekt lancieren die Kraftwerke Oberhasli nun den Stausee in der Trift, wo unter dem zurückschmelzenden Trift-Gletscher in den letzten Jahren ein neuer natürlicher See entstanden ist. In wirtschaftlicher Hinsicht ist dieses Projekt offenbar interessant, da mit dem Triftwasser und weiteren Fassungen eine erhebliche zusätzliche Energieproduktion von 170 GWh möglich wäre. Der Grimselverein hat bereits angekündigt, dass er gegen das Projekt eines Trift-Stausees Einsprache erheben werde. In einem Land, in dem bereits über 90 Prozent der Wasserkraft genutzt werde, sei es sinnlos, die letzten landschaftlichen Perlen der Energiewende zu opfern, äussert sich der Grimselverein. Dazu erstellte er für die Schweiz ein Energieszenario, welches ohne neue Wasserkraftwerke wie die Trift auskommt. Nun befürchtet der Grimselverein einen Zweifrontenkampf, weil ihm nationale Umweltschutzorganisationen nicht folgen könnten. Eine offene Diskussion über die künftige Energiepolitik der Grünen und Linken sei daher dringend nötig, betonen die VertreterInnen des Grimselvereins.
Nach einem feinen Stück Kuchen und einem Schluck Tschingis-Wodka, den Katharina mitgebracht hat, bricht die whatsalp-Gruppe bei strömendem Regen Richtung Obergoms auf.