Die Orchideen des Schweizerischen Nationalparks, der Val Müstair und angrenzender Gebiete – Buchvernissage mit Beat und Claudia Wartmann in Müstair

Thomas Gurtner vom Naturpark Biosfera Val Müstair und Norman Backhaus von der Forschungskommission des Schweizerischen Nationalparks sind schon den ganzen Tag mit uns unterwegs. Sie haben uns über das 200 qkm grosse Val Müstair am östlichsten Zipfel der Schweiz berichtet, das heute noch rund 1500 Einwohner hat, mit abnehmender Tendenz. Seit dem Jahr 2010 gibt es hier einen Regionalen Naturpark, der mit dem Schweizerischen Nationalpark und dem UNESCO-Biosphärenreservat Engiadina Val Müstair in einer komplizierten und für Aussenstehende schwer durchschaubaren Konstruktion verknüpft ist.

Im Anschluss an das Abendessen finden sich im Hotel Balcun At rund fünfzig Interessierte ein – darunter wir zwanzig whatsalp-Wanderer. Auf dem Programm steht eine Buchvernissage mit Vortrag von Beat und Claudia Wartmann. Sie haben in den letzten sieben Jahren intensiv am Buch „Die Orchideen des Schweizerischen Nationalparks, der Val Müstair und angrenzender Gebiete“ gearbeitet, das kürzlich im Haupt Verlag erschienen ist. Nach einer herzlichen Begrüssung durch Norman Bakchaus und Thomas Gurtner ergreift Claudia Wartmann das Wort. Zur Überraschung der Anwesenden hält sie ihre Einführung im Münstertaler Idiom Jauer, einer Unterart des Vallader (Unterengadinerromanisch) und erntet dafür viel Applaus.

Mit prächtigen Bildern stellt uns daraufhin Beat Wartmann die Orchideenpracht im Val Müstair und im Unterengadin vor. Er und seine Partnerin haben in den letzten Jahren eine immense Zahl von Individuen an Tausenden von Standorten aufgenommen, unterstützt von der Forschungskommission des Nationalparks. Wir lernen, dass die meisten Orchideen auf Kalkgestein gedeihen und dass diese im Tal sehr unterschiedlich verteilt sind. Manchmal kommen sie aber auch auf anderen Gesteinen vor, zum Beispiel durch den Eintrag von Kalkschotter beim Wegebau, berichtet der Experte. Die Blumen tragen Namen wie Rotes Waldvöglein, Zwerorchis, Korallenwurz, Zweiblatt, Männertreu, Weisszunge und andere mehr. Insgesamt haben die Wartmanns im Val Müstair und Unterengadin 33 Orchideenarten gefunden, von 52 in Graubünden und 72 in der gesamten Schweiz. Für die Holunder Fingerwurz erbrachten Wartmanns der allerersten Nachweis in der Region.

Am Ende des Vortrags weist Beat Wartmann darauf hin, dass das Val Müstair in Lagen unter 1500 m ü.M. ein „Orchideenproblem“ habe. Dieses sei auf die intensive Landwirtschaft mit ihrem viel zu hohen Stickstoffeintrag in die Böden zurückzuführen. Selbst in den an die Weiden angrenzenden Wäldern wachsen die Brennesseln (die ein Nitratzeiger sind). Wartmann plädiert für eine Extensivierung der Landwirtschaft, wofür Bund und Kanton die Bauern ja finanziell entschädigen würden. Nur so könne das Val Müstair seiner grossen Bedeutung als Orchideenstandort auch in Zukunft weiterhin gerecht werden. Für einige Arten wie den Frauenschuh geben die AutorInnen übrigens keine punktgenauen Standorte an, weil diese immer wieder in grosser Zahl ausgegraben worden seien.

Als Belohnung gibt es für die aufmerksamen ZuhörerInnen nach dem Vortrag einen feinen Apéro mit biologischen Käse- und Wurstspezialitäten aus der Region. Konstanze Conradin und Loana Borner vom Naturpark haben diesen vorbereitet und alle Produkte fein säuberlich angeschrieben. Auf dem Rückweg nach Sta. Maira fragen wir uns nach dem Zusammenhang zwischen der intensiven (biologischen) Berglandwirtschaft im Val Müstair und diesen kulinarischen Leckerbissen. Wie viel davon erträgt es zukünftig noch, wenn auch die Orchideen wieder mehr Platz erhalten sollen? Oder kann es künftig ein Miteinander von Qualitätslandwirtschaft und Naturschutz geben?