Um halb sieben holt uns Georg Berger mit seinem Elektroauto bei der Ramsauer Kirche ab und bringt uns zu seinem Biohof, ein wunderschönes altes Bauernhaus auf der anderen Seite des Kulmberges. Der Frienerhof ist ein bekannter Urlaubsbauernhof mit Ferienwohnung, Zimmern und eigener Gastronomie. Auf 21 Hektaren Land weiden hier um die zwanzig Milchkühe, vierzig Rinder und ein paar Schafe. Ein grosser Teil des Fleisches und ein Teil der Milch werden in der eigenen Küche verwertet.
Vor dem Hof warten bereits Bäuerin Claudia, „Ennsseiten“-Redakteurin Eva-Maria Nagl und Hannes Hoffert-Hösl aus Niederösterreich auf uns. Hannes, den wir bereits in Mitterbach getroffen hatten, schreibt gerade einen Naturpunkt-Führer über die Ramsau-Dachstein Region. Zusammen mit Werner Bätzing zeichnete er auch für das Naturpunkt-Wanderbuch „Der Ötscher“ verantwortlich, das im Rahmen der Niederösterreichischen Landesausstellung entstand. Claudia und Georg bitten uns in ihre geräumige Bauernstube. Kurze Zeit später kommt Vize-Bürgermeisterin Regina Stocker hinzu. Auch Regina hat einen Betrieb, der zu den Bionieren gehört. Das heutige Treffen haben Margrit Leuthold von der Evangelischen Kirche und Ingo Mose von Universität Oldenburg eingefädelt. Sie beide können aus beruflichen Gründen leider nicht dabei sein.
Georg ist Obmann der Ramsauer Bioniere, die er uns nun vorstellt. Anlass für deren Entstehung war 1999 die Nordische Ski WM in der Ramsau, welche unter dem Oberthema „Sport, Kultur und Natur“ stand. Landwirte aus der ganzen Steiermark verköstigten die Besucherinnen und Besucher in einem grossen Bio-Bauerndorf. Die Fortführung dieser Kooperation zwischen Biobauern und Gastronomie scheiterte dann aber an der fehlenden Bereitschaft von Tourismusverband und Gemeinde, sich finanziell stärker zu engagieren. So beschloss eine Gruppe von interessierten LandwirtInnen, die Sache selber in die Hand zu nehmen und die Initiative im kleineren Rahmen weiterzuführen. Der Name „Bioniere“ sei enstanden, so Georg, weil es viel an Pionierarbeit bedurfte, um Partner und Lieferanten für diese Kooperation zu finden.
Als unsere Gastgeber hören, dass wir heute noch nichts zu Abend gegessen haben, zaubert Claudia wunderbare Bio-Spezialitäten vom eigenen Hof auf den Tisch. So wird für uns das Bioniere-Credo „saisonal – regional – bio“ praktisch erfahrbar. Und während wir die feinen Speisen probieren, erläutert Georg, was CO2-freundlicher Urlaub bei den Bionieren bedeutet, hier zum Beispiel Brot vom Biobäcker sowie Fleisch und Milch vom eigenen Bio-Bauernhof. Für die Gäste gibt aber auch einen Bio-Golfplatz, einen E-Motocross Park mit eigenem Kids-Parcours, ein E-Bike Netz mit zwölf Touren, Leihrädern und Akku-Wechselstationen, Segway-Touren und Wanderbusse. War dies zu Beginn noch nicht überall möglich, so sind seit 2007 alle zehn beteiligten Urlaubsbauernhöfe, Pensionen und Bio-Hotels zu hundert Prozent biologisch ausgerichtet. Eine Reihe von Betrieben besitzen das Österreichische Umweltzeichen (das wir am ersten Tag unserer Wanderung im Boutiquehotel in Wien kennenlernten). Für einen Urlaubsort ist eine solche Dichte von biologischen Gastbetrieben einmalig, österreichweit und wohl auch alpenweit.
Ziel der Ramsauer Bioniere war es seit Anbeginn ihres Bestehens, den Bio-Gedanken in der Gastronomie zu verankern. Mit ihrem Leitbild stehen die Bioniere für eine Reihe von ökologischen und sozialen Werten ein, für aktiven Umweltschutz, Klimaverantwortung, Ernährungsbewusstsein sowie für die Liebe zu Mensch und Natur. Sie engagieren sich für umweltgerechte und sozial verträgliche Produktbeschaffung und Energie- und Abfallwirtschaft. In einem Satz zusammengefasst: „Wir wirtschaften nachhaltig und betreiben sorgsamen Umgang mit den Ressourcen unserer Erde. Zu unserem Wohl und dem unserer Kinder.“
Die Ramsauer Bioniere mussten sich ihren Erfolg hart erarbeiten, da sich die biologische Landwirtschaft und noch mehr die biologische Gastronomie immer noch weit weg vom Mainstream befinden. Wieder und wieder mussten und müssen die Bioniere gegen konventionelle Vorstellungen ankämpfen. So war Georg bei der Gründung des Unabhängigen Bauernverbandes dabei, der mittlerweile sogar den lokalen Obmann des Bauernbundes stellt. Ein besonderer Erfolg gelang bei den letzten Gemeindewahlen in der Ramsau. Mit Unterstützung der Bioniere errang eine unabhängige BürgerInnenliste überraschend die Mehrheit im Gemeinderat und stellt nun den Bürgermeister. Vizebürgermeisterin Regina Stocker hat sich zum Ziel gesetzt, die nachhaltige Philosophie der Bioniere in der Gemeindepolitik einzubringen. Insbesondere möchte sie gemeinsam mit Bürgermeister und Gemeinderat die aktuellen Probleme mit den Zweitwohnsitzen in den Griff kriegen. Durch die grosse Nachfrage nach Zweitwohnungen und Ferienhäusern sind die Bodenpreise in der Ramsau so stark angestiegen, dass sich viele Einheimische keinen eigenen Grund mehr leisten können. Mit verschiedenen Massnahmen und verstärkter Kontrolle zur Einhaltung der Gesetze will die Gemeinde hier nun Abhilfe schaffen.
Schöner Bericht über Euer Treffen, wäre gern dabei gewesen! 🙂
Gastfreundschaft bei den Bionieren: das freut mich, dass die Route von Whatsalp euch wieder zu so gastfreundlichen und engagierten Umweltzeichen-Betrieben gebracht hat! Ich hoffe, ihr könnt gut gestärkt eure spannende Tour fortsetzen.
Viel Energie und schöne Grüße vom Umweltzeichen-Team!