Franz Rest, Bauer in Dorfgastein und Kommunikationswissenschaftler an der Universität Salzburg, lädt heute Nachmittag zu einer Gesprächsrunde ins Kurzentrum Bad Hofgastein ein. Es geht um aktuelle Herausforderungen im Gasteiner Tal und natürlich steht dabei der Tourismus im Zentrum. Anwesend sind Vertreter aus Politik, Tourismus, Gewerbe und Kultur des Gasteiner Tals. Weibliche Vertreterinnen sind keine dabei, und auch die angekündigten Jungen haben kurzfristig abgesagt.
Das Gasteiner Tal ist eine der klassischen grossen Tourismusregionen in Österreich, welche auf den Badgasteiner Kurtourismus des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Die 1909 eröffnete Tauernbahn trug dann im 20. Jahrhundert dazu bei, dass der Fremdenverkehr im ganzen Tal Fuss fasste und die Landwirtschaft als Leitbranche endgültig ablöste. Wie andernorts in den Alpen kam in den vergangenen Jahrzehnten der Skitourismus auf, sodass der Winter den Sommer mehr und mehr als Hauptsaison ablöste. Dennoch besitzt der Sommertourismus im Gasteiner Tal nach wie vor eine grosse Bedeutung und scheint in jüngster Zeit auch wieder etwas zuzulegen.
Das Gespräch entspinnt sich um die grossen Herausforderungen im Gasteiner Tourismus, die Zukunft der Hotellerie, insbesondere der alten Bäderhotels in Badgastein, die Stagnation der Nächtigungen und der steigende Anteil der Kurzaufenthalter, die sinkende Wertschöpfung in den touristischen Nebenbetrieben. Aber auch ganz generelle Herausforderungen werden angesprochen, so die Abwanderung der jungen Generation, die in den Städten studiert und nicht mehr zurückkehrt, die sinkenden Wertschöpfungsanteile des einheimischen Handels und Gewerbes, die Zweitwohnungsbesitzer.
Moderator Franz Rest stellt die kritische Frage, ob steigende Nächtigungszahlen wirklich die einzige Messgrösse sind und löst damit bei Franz Naturner, Geschäftsführer der Gasteinertal Tourismus GmbH, Widerspruch aus. Das Tal besitze in den Spitzenzeiten noch viel Luft nach oben, nicht einmal eine Saisonverlängerung sei nötig, meint er. Und ÖVP-Landesrat und stv. Klubobmann Hans Scharfetter betont, dass das touristische Wachstum für das Gasteiner Tal alternativlos sei, wenn auch der Trend zu mehr Qualitätstourismus mit besseren Hotels anhalte. Gerade dem Trend zu mehr Qualität pflichtet auch Sepp Grabmaier vom Kulturzentrum Sägewerk in Bad Hofgastein bei. Klaus Horvat-Unterdorfer, Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung EIN GASTEIN weist darauf hin, dass der touristische Wachstumsmarkt eine Illusion sei, da es sich um einen Verdrängungswettbewerb handle. Die Zahl der Nächtigungen steige zwar, aber die durchschnittliche Aufenthaltsdauer sinke, mit allen negativen Auswirkungen.
Auf die grossflächigen Pistenplanierungen in Dorfgastein angesprochen, antwortet der Geschäftsführer der Gastein Bergbahnen, Franz Schafflinger, dass diese zwar nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fallen, dass aber die Zeit der grossen Skigebietsausbauten schon seit längerem vorbei sei. Gebaut würden heute nur noch Erneuerungen und Ergänzungen, nicht zuletzt zur Verbesserung der Qualität. Er betont, dass die Gastein Bergbahnen vor der Erneuerung ihrer Schlossalm-Bahn proaktiv eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt hätten. Dies sei ein bewusster Schritt gewesen, auf den die vom benachbarten Grossarltal dominierten Dorfgasteiner Bergbahnen offenbar verzichtet hätten. Schafflinger steht dem andauernden Wettlauf um das grösste Skigebiet durchaus kritisch gegenüber, sieht aber dennoch Vorteile in der amadé-Kooperation. Hier gehe es nicht um einen Zusammenschluss, denn die einzelnen Gesellschaften seien selbständig geblieben. Zudem seien in den letzten zehn Jahren mehrere hundert Millionen Euro in die Verbesserung der Skigebiete investiert worden.
Die Diskussion verlagert sich auf Nachbarthemen und der Dorfgasteiner Bürgermeister Rudolf Trauner weist auf die problematische Entwicklung hin, dass sich die Alpengebiete immer mehr zum reinen Freizeitraum der StädterInnen entwickeln. Es nütze dem Gasteiner Tal nichts, wenn die Leute hier Urlaub machten, es aber immer weniger Einheimische gebe, die hier ganzzeitig leben und arbeiten können. Es brauche eben auch andere Arbeitsplätze ausserhalb des Tourismus, fügt Klaus Horvat-Unterdorfer an. Zusammen mit einer engagierten Gruppe von Gasteiner Unternehmerinnen und Unternehmern hat er den Wirtschaftsverein EIN GASTEIN lanciert. Der Verein versteht sich gemäss eigener Website als „wirtschaftliches Bindeglied und zentraler Knotenpunkt, als Impulsgeber und Synergienaufzeiger, als interkommunales, unparteiliches und überregionales Netzwerk, welches die Herausforderung angenommen hat, um Verantwortung für eine nachhaltige regionale Entwicklung zu übernehmen“. Konkret geht es darum, möglichst viele Wertschöpfungsketten im Tal zu halten, sich also zum Beispiel gegenseitig die Aufträge zuzuhalten. Hierzu hat die Kooperation auch den Gasteiner Taler, eine eigene virtuelle Währung für das Gasteiner Tal lanciert.
Abschliessend stellt ein Gesprächsteilnehmer aus der whatsalp-Gruppe die Frage, wo das Gasteiner Tal nach Meinung der Anwesenden in 25 Jahren stehen werde. Die Antworten fallen durchwegs optimistisch aus. Bürgermeister Trauner sieht sein Tal auch dannzumal noch als wichtige touristische Region und glaubt an eine stabile Bevölkerungsentwicklung, wenn auch mit einem höheren Altersdurchschnitt. Der Landtagsabgeordnete Scharfetter sieht sich verstärkende Trends Richtung in Richtung Regionalität und Natur. Die Digitalisierung werde neue Geschäftsmodelle mit sich bringen, die wir heute noch gar nicht kennen. Wirtschaftsvereins-Geschäftsführer Horvat-Unterdorfer erwartet verbesserte regionale Wertschöpfungskreisläufe und viel mehr regionale Produkte, in denen auch drin sei, was draufstehe. Und vor jedem zweiten Haus stehe eine Elektro-Tankstelle, fügt er schmunzelnd hinzu. Für Lokalhistoriker Horst Wierer, Gemeindearchivar in Bad Hofgastein, droht in den kommenden Jahrzehnten eine noch stärkere Verwaldung des Tals mit Fichten und er stellt die Frage, ob die Landschaft so für die Gäste noch attraktiv sein könne.
Die Frage nach dem Gasteiner Tal in 25 Jahren hat mehr offene Fragen als Antworten ausgelöst.
Anfang November 2017 berichten die Salzburger Nachrichten, dass das Land Salzburg Teile des historischen Zentrums von Bad Gastein übernimmt.
Lieber Dominik,
an dieser Stelle – herzlichen DANK für Deine / Eure Berichte! Ich verfolge sie mit großer Neugier und Interesse an Euren Begegnungen. Große Bewunderung und Dank dafür, dass Ihr – bei allem Wandern und Gehen zu jedem Wetter, bei allen Veranstaltungen und Diskussionen – immer auch noch Zeit und Motivation aufbringt, Eure Erlebnisse in Worte zu bringen! Und die so geschrieben sind, dass das Lesen ein Mitwandern wird 🙂
Liebes Bruderherz, liebes Whatsalp-Wanderteam
Schon ist es ein ganzer Monat her, seit Vreni, Annette, ich und weitere Fans die Whatsalp-Wandergruppe auf dem Wiener Stephansplatz mit Glückwünschen für die grosse Alpenquerung auf den Weg geschickt haben.
Vielen Dank für die seither erfolgte interessante Berichterstattung! Ich freue mich, bald ein Wanderstück selber dabei zu sein. 🙂
Ich wünsche Euch weiterhin viel Interessantes, möglichst Erfreuliches und alles Gute auf Euren kommenden Wander- und Ruheetappen!
Madeleine
Lieber Dominik, lieber Harry,
danke für euren blog, aber eine wichtige Richtigstellung: Ich bin nicht Landwirt, ich bin Bauer.
Eine gute weitere Reise!
Franz
Lieber Franz
vielen Dank auch dir, Heidi und Matthäus für die Aufnahme, Gastfreundschaft und spannenden Diskussionen! Den “Landwirt” habe ich korrigiert, trotzdem meine Frage: Was ist genau der Unterschied?
Grüsse aus Bruneck
Dominik
Schön von einer spannenden Diskussion zu hören, auch wenn ich es leider nicht geschafft habe. Tolle Aktion! 🙂